Vollmacht und Vollmachtserteilung: Ein unwirksamer Scheidungsantrag hat keine Auswirkungen auf das Ehegattenerbrecht
Verheirateten steht grundsätzlich ein sogenanntes Ehegattenerbrecht zu. Bereits ein wirksamer Antrag auf Scheidung und die Zustimmung der Gegenseite brechen diesen Anspruch. Doch auf die Wirksamkeit kommt es wie immer an. Ist diese nicht gegeben, erlischt der Erbanspruch des überlebenden Gatten nämlich nicht, was im Folgenden auch das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) befunden hat.
Die Erblasserin war verheiratet, aus der Ehe waren insgesamt drei gemeinsame Kinder hervorgegangen. Die Frau stand aufgrund einer Hirnblutung seit dem 23.10.2020 unter Betreuung. Im November 2020 ging beim zuständigen Amtsgericht ein Scheidungsantrag durch einen Anwalt des Sohns der Erblasserin ein, der seinerseits zu diesem Zeitpunkt zum Betreuer bestellt war. Diesem Antrag war eine Vollmacht der Erblasserin beigefügt, die den Anwalt als Bevollmächtigten bereits vor Einrichtung der Betreuung für die gerichtliche und außergerichtliche Vertretung in der Familienangelegenheit auswies. Als dann im Laufe des Ehescheidungsverfahrens ein Betreuerwechsel stattfand, reichte der Verfahrensbevollmächtigte eine weitere Vollmacht der nunmehr eingesetzten Betreuerin zur "Ehescheidung Amtsgericht ... " ein.
Im Laufe des Scheidungsverfahrens verstarb die Erblasserin jedoch. Der überlebende Ehemann beantragte einen gemeinschaftlichen Erbschein, der ihn zum Erben zu 1/2 sowie die Kinder zu Erben mit einer Erbquote von je 1/6 auswies - und erhielt ihn auch. Der Sohn der Beteiligten beantragte daraufhin die Einziehung des Erbscheins; er war der Ansicht, dass sein Vater nicht Erbe geworden sei.
Dem folgte das OLG jedoch nicht, da es seiner Ansicht nach schon an der Stellung eines wirksamen Scheidungsantrags fehlte. Hierzu hätte es einer besonderen, auf das Verfahren gerichteten Vollmacht bedurft. In Ehesachen muss neben der Partei auch die Ehesache genau bezeichnet werden - mithin das konkrete Verfahrensziel, auf das sie sich bezieht. Auch die nachträglich vorgelegte Vollmacht, die sich ausdrücklich auf das Verfahrensziel der Ehescheidung bezog, war nach Ansicht des Gerichts nicht ausreichend, da der zu diesem Zeitpunkt eingesetzten Betreuerin aufgrund des eingeschränkten Aufgabenkreises nicht die Befugnis zur Vollmachterteilung gegeben war.
Hinweis: Liegt ein wirksamer Scheidungsantrag vor und stimmt die Gegenseite der Scheidung zu oder stellt einen eigenen Scheidungsantrag, erlischt damit das Ehegattenerbrecht.
Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 09.08.2022 - 3 W 17/22
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 10/2022)