Widerruf des vorherigen Testaments: Neue Verfügung muss auf vorige Version zwingend Bezug nehmen

Testamente gelten zunächst einmal, bis sie widerrufen bzw. durch eine nachfolgende testamentarische Verfügung ersetzt werden. Problematisch kann es aber werden, wenn zwei aufeinanderfolgende Testamente vorliegen und das spätere keinen ausdrücklichen Widerruf des früheren Testaments enthält. Mit der sich hieraus ergebenden Auslegungsfrage musste sich das Saarländische Oberlandesgericht (OLG) im Folgenden auseinandersetzen.

Die 2019 verstorbene Erblasserin hatte im Jahr 2011 ein notarielles Testament errichtet, in dem sie ihren Lebensgefährten zum Alleinerben einsetzte. Weitere Verfügungen wurden nicht getroffen. Im Jahr 2012 erstellte die Erblasserin dann ein handschriftlich verfasstes Schriftstück, das mit der Überschrift "Mein Testament" überschrieben war und in dem einzelne Vermögensgegenstände an verschiedene Personen vermacht wurden. Eine ausdrückliche Erbeinsetzung erfolgte nicht. Eine in diesem Schriftstück bedachte Person vertrat nun die Ansicht, dass sie durch die Zuwendung von Bargeld und Schmuck aufgrund der handschriftlich verfassten Verfügung zur Alleinerbin bestimmt worden sei.

Sowohl das Nachlassgericht als auch das OLG kamen zu der Auffassung, dass es sich bei dem handschriftlich verfassten Schriftstück nicht um einen Widerruf des notariellen Testaments aus dem Jahr 2011 gehandelt hat. Sofern - wie hier - kein ausdrücklicher Widerruf erfolgt ist, sieht das Gesetz vor, dass eine zeitlich frühere Anordnung nur dann als widerrufen gilt, wenn sie mit der nachfolgenden Anordnung in Widerspruch steht. Beide Testamente sind insoweit jeweils für sich auszulegen, um den jeweiligen Willen des Erblassers zu ermitteln. Erst wenn auf diese Weise festgestellt werden kann, dass sich die Anordnungen gegenseitig ausschließen, liegt ein Widerruf des früheren Testaments vor. Im konkreten Fall hatte das OLG angenommen, dass ein solcher Widerruf nicht vorliegt, weil das ursprüngliche Testament die Erbfolge bestimmt hat, während die zeitlich nachfolgende Verfügung Vermächtnisse und Auflagen enthielt, die sich insgesamt nicht wechselseitig ausschließen.

Hinweis: Beabsichtigt der Erblasser, eine einmal errichtete testamentarische Verfügung aufzuheben und durch eine neue Verfügung zu ersetzen, sollte dies in dem zeitlich nachfolgenden Testament ausdrücklich erklärt werden.


Quelle: Saarländisches OLG, Beschl. v. 07.09.2020 - 5 W 30/20
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 12/2020)