Testamente und Schriftgutachten: Es genügt, wenn Richter Schriftzüge vergleichen, um zu einem eindeutigen Ergebnis gelangen können

Ein handschriftliches Testament ist vom Erblasser eigenhändig zu errichten. Streiten sich die Erben über die Wirksamkeit einer testamentarischen Verfügung, muss gegebenenfalls die Echtheit der Urkunde festgestellt werden. Ob hierfür die Einholung eines Schriftgutachtens zwingend erforderlich ist, musste im folgenden Fall das Brandenburgische Oberlandesgericht (OLG) beantworten.

Der Erblasser hatte zunächst im Jahr 1995 mit seiner kurz darauf verstorbenen ersten Ehefrau ein gemeinschaftliches eigenhändiges Testament errichtet, in dem beide sich wechselseitig zu Alleinerben einsetzten. Von den beiden Kindern der Eheleute wurde lediglich der Sohn als Schlusserbe eingesetzt. In einem weiteren handschriftlichen Testament aus dem Jahr 2017 setzten sich der Erblasser und seine zweite Ehefrau jeweils zu Alleinerben ein. Nach dem Tod des Erblassers stritten sich der Sohn und die zweite Ehefrau nun um die Stellung als Alleinerbe. Das Nachlassgericht kam nach erfolgter Beweisaufnahme und insbesondere nach einem selbst durchgeführten Schriftvergleich zum Ergebnis, dass das im Jahr 1995 errichtete Testament vom Erblasser geschrieben und von den Eheleuten unterschrieben worden sei. Hierzu hat das Gericht vorgelegte Schriftproben eindeutig dem Erblasser bzw. seiner vorverstorbenen Ehefrau zuordnen können.

Liegen laut OLG keine besonderen Umstände vor, die gegen eine eigenhändige Errichtung eines privatschriftlichen Testaments sprechen, genügt es, wenn der mit dem Fall betraute Richter selbst die Schriftzüge des ihm vorliegenden Testaments mit anderen Schriftproben vergleicht und dieses Ergebnis würdigt. Die Einholung eines Gutachtens zur Echtheit eines eigenhändigen Testaments ist nur in Zweifelsfällen notwendig. In dem hier behandelten Fall hatte das zur Folge, dass die zweite Ehefrau als gewillkürte Alleinerbin des Erblassers anzusehen war. Denn sowohl das erste Testament, dem das Gericht keine wechselseitigen Verfügungen entnehmen konnte, als auch das zweite waren formwirksam errichtet.

Hinweis: Bestehen Zweifel an der Echtheit einer handschriftlich erstellten testamentarischen Verfügung, sollten Schriftproben aus den Nachlassgegenständen zu Vergleichszwecken gesichert werden.


Quelle: Brandenburgisches OLG, Beschl. v. 16.10.2022 - 3 W 130/21
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 01/2023)