Festgelegt statt verhandelt: Einseitig beschlossene variable Vergütung zieht Schadensersatzansprüche nach sich
Viele Arbeitnehmer erhalten variable Vergütungen wie Boni oder Prämien. Darauf freute sich auch der Arbeitnehmer in diesem Fall. Doch stattdessen musste er sich nun bis vor das Bundesarbeitsgericht (BAG) klagen, um dort feststellen zu lassen, dass seine Arbeitgeberin ihm gegenüber schadensersatzpflichtig geworden ist.
Der Mann hatte seine neue Stelle als Director Development im Bereich Schiffe angetreten. Für seine Tätigkeit sollte er ein Grundgehalt sowie eine erfolgsabhängige variable Vergütung erhalten. Sein Arbeitsvertrag regelte, dass die Ziele, die für das Erreichen der variablen Vergütung erforderlich sind, jedes Jahr neu von der Arbeitgeberin und ihm festgelegt werden. Erstmals sollte das entsprechende Gespräch zum Ende der Probezeit geführt werden. Allerdings kam es bereits kurz nach Ende der Probezeit zu Unstimmigkeiten zwischen beiden Parteien. Der Arbeitnehmer forderte seine Arbeitgeberin daraufhin auf, mit ihm über die Zielvereinbarung zu verhandeln. Die Verhandlungen wurden geführt - jedoch ohne Ergebnis. Schließlich legte die Arbeitgeberin die Ziele nach eigenem Ermessen fest und begründete dies mit dem Arbeitsvertrag des Arbeitnehmers, in dem stand: "Sollten die Kriterien nicht zwischen dem Mitarbeiter und der Gesellschaft vereinbart werden, werden diese seitens der Gesellschaft nach billigem Ermessen vorgegeben." Als das Arbeitsverhältnis endete, klagte der Arbeitnehmer auf Schadensersatz.
Das BAG entschied, dass der Arbeitnehmer wegen der entgangenen erfolgsabhängigen variablen Vergütung seiner Arbeitgeberin gegenüber einen Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von rund 83.000 EUR hat. In seiner Begründung stellte das Gericht darauf ab, dass die Arbeitgeberin ihrer Pflicht, die Ziele mit dem Arbeitnehmer zu verhandeln und eine Zielvereinbarung für das Jahr abzuschließen, unstreitig nicht nachgekommen sei und damit schadensersatzpflichtig wurde. Die Richter stellten klar, dass die Arbeitgeberin die Ziele nicht einseitig festlegen durfte, da die entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag unwirksam sei: Sie benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen (§ 307 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch), da sie der Arbeitgeberin ermögliche, die vertraglich vereinbarte Rangfolge von Zielvereinbarung und Zielvorgabe zu unterlaufen.
Hinweis: Haben sich die Vertragsparteien im Arbeitsvertrag verpflichtet, die Ziele gemeinsam festzulegen, hat sich auch der Arbeitgeber daran zu halten. Er ist in einem solchen Fall verpflichtet, mit dem Beschäftigten Verhandlungen zu führen.
Quelle: BAG, Urt. v. 03.07.2024 - 10 AZR 171/23
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 11/2024)