Erstattung überzahlter Renten: Zulassen eines banküblichen Zahlungsgeschäfts ist nicht immer eine vorwerfbar unterlassene Handlung

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) musste sich im folgenden Fall mit der Frage beschäftigen, ob eine erteilte Kontovollmacht des Erblassers eine Grundlage dafür bildet, von dem Vollmachtnehmer die Rückerstattung einer zu viel gezahlten Rente verlangen zu können.

Der am 23.04.2017 verstorbene Erblasser war Empfänger einer Witwen- und Altersrente und hatte zugunsten seiner Tochter eine Kontovollmacht für ein Girokonto eingerichtet. Am 28.04.2017 gingen eben diese Rentenzahlungen auf das Konto des verstorbenen Rentenempfängers ein. Aufgrund von noch zu Lebzeiten erteilten Daueraufträgen sind nach dem Tod des Erblassers noch Abbuchungen von dem Konto erfolgt. Einzahlungen oder Abbuchungen durch die Tochter sind unstreitig nicht erfolgt. Diese hatte nach dem Tod des Vaters die Erbschaft wegen Überschuldung ausgeschlagen. Der Rententräger war nun der Ansicht, dass die Tochter als Kontobevollmächtigte verpflichtet gewesen sei, die Rückzahlung zu veranlassen bzw. Abbuchungen vom Kontoguthaben zu verhindern. Dieses pflichtwidrige Unterlassen sei vorwerfbar, weshalb sie zur Rückerstattung der Renten verpflichtet gewesen sei.

Dieser Ansicht haben sich weder das Sozialgericht Cottbus noch das LSG angeschlossen. Es sei nicht vorwerfbar, dass die Tochter ein bankübliches Zahlungsgeschäft zugelassen habe. Auch sei mit der Erteilung einer Kontovollmacht nicht generell verbunden, dass nach dem Ableben des Kontoinhabers alle vermindernden Verfügungen verhindert werden müssen. Erforderlich sei vielmehr, dass zwischen der Kenntnis vom Tod des Rentenempfängers und den Kontobewegungen ein ausreichender Zeitraum zum Handeln zur Verfügung steht. All dies war vorliegend nicht gegeben, so dass die Tochter nicht zur Rückzahlung der Geldbeträge verpflichtet war.

Hinweis: Nach dem Tod eines Erblassers besteht eine der ersten Aufgaben darin, sich einen Überblick über den Nachlass zu verschaffen und hier insbesondere Kontenbewegungen zu überprüfen. Ein Rückforderungsanspruch jedenfalls gegenüber Sozialversicherungsträgern kann sich grundsätzlich eben auch aus einer Kontovollmacht ergeben, auch wenn die Erbschaft nach dem Tod des Erblassers ausgeschlagen wurde.


Quelle: LSG für das Land Brandenburg, Urt. v. 20.01.2023 - L 33 R 79/20
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 06/2023)