Coronabedingte Gasthausschließung: Erste erfolgreiche Klage zur Haftung der Betriebsschließungsversicherung

Dass bei der bewährten These "Wer schreibt, der bleibt" auch die Verständlichkeit des Geschriebenen eine wesentliche Rolle spielt, kann für die Versicherungsbranche in Zeiten von Corona zu einem immens schmerzhaften Lehrgeld führen. Denn während wir im Oktober den Fall des Oberlandesgerichts Hamm (Beschluss vom 15.07.2020 - 20 W 21/20) hatten, der besagte, dass eine Betriebsschließungsversicherung für die Folgen von bis zu Vertragsabschluss unbekannten Krankheitserregern nicht hafte, hat das Landgericht München I (LG) hier ein anderes Urteil gefällt.

Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hatte ein Münchner Gasthaus ab dem 21.03.2020 zur Eindämmung des Pandemiegeschehens geschlossen. Die Betreiberin der Gaststätte verlangte nun von ihrer Versicherung 430.000 EUR als Entschädigung.

Das LG gab der Klage weitgehend statt. Dem Versicherungsnehmer müsse, sobald der Versicherungsschutz durch eine Vertragsklausel eingeschränkt werde, deutlich vor Augen geführt werden, in welchem Umfang Versicherungsschutz trotz der Klausel bestehe. Diesen Anforderungen wurde die hier verwendete Vertragsklausel aber nicht gerecht. Der Versicherungsnehmer konnte dem Wortlaut nach davon ausgehen, dass der Versicherungsschutz dem Grunde nach umfassend ist und sich mit dem Infektionsschutzgesetz deckt.

Auch die folgenden Punkte betonte das LG in seiner Begründung: Weder Kurzarbeitergeld noch staatliche Coronaliquiditätshilfen seien hier anspruchsmindernd zu berücksichtigen, da es sich hierbei nicht um Schadensersatzzahlungen gerade für die Betriebsschließungen handelt. Auch dass in der Gaststätte selbst kein Coronaausbruch zu verzeichnen war und dass ein Außerhausverkauf stattgefunden hat, bliebe für den Anspruch unerheblich.

Hinweis: Dieses und ähnliche Urteile werden vermutlich zu einer Klagewelle gegen die Versicherer führen. Betroffene sollten von ihrem Rechtsanwalt die Erfolgsaussichten prüfen lassen. Wichtig zu wissen: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.


Quelle: LG München I, Urt. v. 22.10.2020 - 12 O 5868/20
zum Thema: Sonstiges

(aus: Ausgabe 12/2020)