Bindungswirkung des Ehegattentestaments: Weder nachträgliche Testamentsvollstreckung noch nachträgliche Abänderung von Voll- zu Vorerben

Wechselbezügliche Verfügungen im gemeinschaftlichen Ehegattentestament unterliegen grundsätzlich einer Bindungswirkung und können nach dem Tod des Erstversterbenden nicht einseitig abgeändert werden. Deshalb bleibt auch dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) keine andere Möglichkeit, als auf die Einhaltung der von beiden Erblassern gemeinsam getroffenen Vereinbarung zu bestehen.

Die Eheleute hatten im Jahr 1974 ein handschriftliches gemeinschaftliches Testament aufgesetzt und sich darin wechselseitig zu Alleinerben eingesetzt - mit der Maßgabe, dass der Überlebende unbeschränkt und frei über das gemeinsame Vermögen verfügen dürfe. Der Überlebende wurde verpflichtet, den gesamten Nachlass an die zwei gemeinsamen Kinder (Tochter und Sohn) weiterzuvererben, was die Verfügungsfreiheit des Überlebenden über den Nachlass nicht berühren sollte. Ebenso enthielt das Testament eine Regelung für den Fall der Wiederverheiratung des Überlebenden sowie eine Pflichtteilsstrafklausel im Hinblick auf die beiden Kinder, von denen der Sohn aufgrund einer Behinderung unter gesetzlicher Betreuung stand.

Nach dem Tod des Ehemanns errichtete die Erblasserin im Jahr 2015 ein notarielles Testament, in dem sie ihre Kinder zu Erben berief. Maßgabe darin war, das ihr Sohn zum befreiten Vorerben und dessen Kinder nach seinem Tod zum Nacherben bestimmt werden. Zugleich ordnete sie eine Dauertestamentsvollstreckung an und bestimmte ihre Tochter zur Testamentsvollstreckerin. Es sollte damit sichergestellt werden, dass der Sohn einen angemessenen Lebensstandard über dem Sozialhilfeniveau erhält.

Der Betreuer des Sohns war aber der Ansicht, dass die Beschränkung auf eine Vor- und Nacherbschaft sowie die Einrichtung einer Dauertestamentsvollstreckung wegen Verstoßes gegen die Bindungswirkung des Testaments aus dem Jahr 1974 unwirksam sei. Dieser Ansicht schloss sich im Ergebnis auch das OLG an. Die Auslegung des Testaments ergab, dass die Verpflichtung des Überlebenden zur Weitergabe des ihm angefallenen Erbes als Einsetzung der Kinder als gemeinsame Erben des Letztverstorbenen auszulegen war. Ist in einem gemeinschaftlichen Testament durch eine solche wechselbezügliche Verfügung ein unbeschränkter Erbe eingesetzt worden, stellt die Anordnung einer Testamentsvollstreckung ebenso eine beeinträchtigende Verfügung dar wie die Abänderung von einem Vollerben zu einem bloßen Vorerben. Aus diesem Grund war die im Jahr 2015 getroffene Anordnung unwirksam.

Hinweis: Die Einsetzung eines behinderten Kindes als Vorerbe unter Beteiligung eines engen Verwandten als Testamentsvollstrecker mit der Aufgabe, die dem Vorerben zustehenden Mittel der Erbschaft in einer Weise zu verwenden, dass sie dem Zugriff des Sozialhilfeträgers entzogen werden, entspricht der üblichen Gestaltungspraxis und ist in der Rechtsprechung als zulässig anerkannt.


Quelle: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 23.10.2023 - 21 W 69/23
zum Thema: Erbrecht

(aus: Ausgabe 12/2023)